Ein Tick anders

Ich bin wieder in Berlin! Warum? Das ist eine lange Geschichte:

Ich denke jeder hat seine eigenen Tics und Besonderheiten: der eine kann nicht telefonieren, ohne nebenbei auf einem Blatt Papier rumzukrakeln, der andere kann eigentlich kaum denken, ohne seinen Bleistift in den Fingern zu drehen.

Doch was passiert, wenn diese kleinen Tics immer mehr werden? Wenn aus ständigem Räuspern ein Rufen wird? Wenn aus Zwinkern auf einmal ganze Kopfbewegungen werden? Wenn es schmerzhaft oder gar unmöglich ist, diese Tics zu unterdrücken? Dann spricht man von einer Tic-Störung, besser bekannt unter dem Namen Tourette-Syndrom.

Eine solche Störung wurde bei mir vor einem Monat diagnostiziert. Dass mir meine Tics zum erste Mal aufgefallen sind, war im Oktober letzten Jahres, da waren es allerdings nur motorische Tics im Gesicht. Vor etwa sechs Wochen kamen die ersten vokalen Tics hinzu wie ,,whoo“ und ,,hey“-Rufe, und seit etwas mehr als drei Wochen rufe ich sogar Wörter oder ganze Sätze. Ich kann meine Bewegungen oder Wörter nicht kontrollieren, es fühlt sich ein wenig wie Niesen an: Es kommt hoch und dann muss es einfach raus. Wenn ich versuche den ,,Nieser“ zu unterdrücken, bekomme ich einen regelrechten ,,Niesanfall“!

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Mit der Diagnosestellung in Berlin ging hier einiges drunter und drüber. Ärzte wurden kontaktiert, einige Tränen vergossen und wir haben gegrübelt ohne Ende. Woher kommt diese Krankheit und wo führt sie hin? Welches ist die beste Therapie für mich und welche Medikamente soll ich nehmen? Wie geht es weiter? Mit all diesen unbekannten Variabeln, die die Krankheit Tourette-Syndrom mit sich bringt, haben wir die schwere Entscheidung getroffen, dass es erst einmal für mich nicht zurück nach Akureyri ins Internat geht … noch dazu, weil Medikamente gegen Tourette in Island selbst bezahlt werden müssen und auch eine Verhaltenstherapie, die mir dabei helfen soll, mit dem ,,Kobold in meinem Kopf“ besser klarzukommen, würde nicht von der isländischen Krankenkasse übernommen werden.

Verstecken kann ich meine Tics mittlerweile nicht mehr. Ich bin gerade dabei zu lernen, meine Tics zu akzeptieren und zu erfahren, dass eine Tic-Störung keine Erkältung ist, die morgens nach dem Aufwachen wieder weg sein kann, sondern eine Krankheit ist, die mich von jetzt an täglich begleitet, mich immer wieder überrumpelt und manchmal auch zur Verzweiflung bringt. An schlimmen ,,Tic-Tagen“ hilft es mir vor Augen zu halten, dass Tourette keine gefährliche Krankheit ist. Es ist noch niemand an Tourette gestorben.

Mein Umfeld hat das ganze bis jetzt übrigens größtenteils sehr gut aufgenommen. Meine Mutter sagt, mit den Tics sei ich ja immer noch derselbe Mensch, fremd wäre ich ihr erst, wenn ich plötzlich Nazi werden würde;)

Mit meinen Freunden lache ich sogar manchmal über meine Tics, zum Beispiel, wenn ich mitten in die Musical-Probe ,,Mangosalat“ reinrufe. Es hilft mir, darüber Späße zu machen und meinem Umfeld hilft es, die Berührungsängste zu verlieren.

Wenn ihr Fragen habt, schreibt mir. Ich beantworte diese gerne!

Bis bald Pauli

4 Kommentare zu „Ein Tick anders“

  1. Liebe Pauli, du Schöne, du Starke, du Tolle! Du wirst deinen Weg gehen, das weiß ich genau – egal ob in Akureyri oder Berlin. Ich wünsche dir Alles Gute! Wir sind für dich da, wenn du uns brauchst! Drücki, Grit und Familie 😘🍀

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